Gestern erreichte mich die Geschichte von Anna. Ich hatte vor zwei Jahren mit ihr gearbeitet, da sie immer das Gefühl hatte, nicht wirklich gesehen zu werden. Eigentlich sogar übersehen zu werden.
Nicht nur in ihren Paarbeziehungen, die nie lange hielten. Auch im Kontext der Arbeit. Obwohl sie qualitativ hochwertige Arbeit leistete und erfahren auf ihrem Arbeitsgebiet war, wurden andere Kolleginnen meist mehr anerkannt und in ihrer Leistung mehr wertgeschätzt.
Alles in allem war Anna müde. Müde all der Anstrengungen und resigniert von den immer wieder ins Leere laufenden Bemühungen.
In ihrer Familiengeschichte gab es einige schwierige Situationen. Das Verhältnis zur Mutter war nicht sehr innig, aber auch nicht wirklich belastet. Zum Vater gab es ein sehr enges Verhältnis. Sie hatte noch alle vier Großeltern erleben dürfen.
Wir stellten auf. Sofort war zu sehen, dass die Klientin auf eine leere Stelle in der Ecke des Raumes schaute und alle anderen nicht sah. Als ich eine Frau an diesen Platz stellte fing die Klientin an zu weinen und ging auf diese Frau zu. Beide umarmten sich lange weinend.
Dann schauten beide auf den Vater. Langsam, sehr langsam ging die Frau auf den Vater zu, der wie gebannt zu ihr hinsah. Er konnte sich keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Plötzlich fing sein Mund an zu zittern und stille Tränen flossen auf seinen Wangen.
Als sich beide erreicht hatten lagen sie sich lange still weinend in den Armen. Und auch Anna weinte. Doch dann fiel ihr Blick auf die Mutter, als würde sie die Mutter zum ersten Mal sehen. Und so war es auch. Jetzt erst konnte sie die Mutter sehen.
Zitternd und weinend ging sie auf die Mutter zu und lies sich in den Arm nehmen. Lange konnte sie nicht aufhören zu weinen. Doch dann kam langsam Frieden in ihren Körper und in ihr Herz. Sie war endlich angekommen.
Nun schrieb mir Anna: „Ich will dir nur sagen, was inzwischen geschehen ist. Seit unserer Aufstellung hat sich in meinem Leben so viel zum Guten gewendet. Ich weiß nicht wirklich wieso, aber ich hatte seitdem nie mehr das Gefühl, nicht gesehen zu werden.
Später stellte sich heraus, dass mein Vater vor meiner Mutter eine große Liebe hatte, die er im Krieg nicht wiederfinden konnte. Sie hatte den Krieg überlebt, aber da sie meinen Vater nicht mehr finden konnte hatte sie später einen anderen Mann geheiratet. Und mein Vater meine Mutter.
Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass ich mit dieser Frau verbunden war. Ich kannte sie ja nicht und wusste nichts von ihr. Dennoch war es so. Sie war ausgeschlossen, und das habe ich gefühlt, ohne etwas von dieser Geschichte zu wissen.
Das Erstaunlichste aber war, dass ich seit der Aufstellung das Gefühl, nicht gesehen zu werden, nicht ein einziges Mal mehr hatte. Im Gegenteil: Immer öfter war es mir, als wäre ich angekommen. Und das tut mir so unendlich gut.“
Danke Anna für deine Geschichte. Und alles Liebe für dich.
Ich freue mich, wenn auch du mir schreibst, wenn sich in deinem Leben etwas zum Guten gewendet hat und was dir dabei geholfen hat. Vielleicht war das eine Aufstellung. Oder ein anderer therapeutischer Weg. Aber vielleicht auch ein gutes Buch, der Rat eines Freundes, ein unerwartetes Erlebnis oder eine besondere Erfahrung.
Und falls du ein Thema hast, das dich belastet, das du gern lösen möchtest, so findest du hier die nächsten Termine der Aufstellungsseminare und die Möglichkeit zur Einzelarbeit.
Ich freue mich von dir zu hören oder zu lesen und verbleibe
mit ganz herzlichen Grüßen
Johannes
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Text: Johannes Schmidt
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