Daniel kam vor einem knappen Jahr mit dem Anliegen, dass zum wiederholten Male eine Paarbeziehung gescheitert sei und er schon seit längerer Zeit vergeblich versuche, diese Frau in seinem Herzen „loszulassen“, was ihm aber nicht gelingt. Sein Liebeskummer schmerzt ihn so, dass er befürchtet, dass sein Herz auch organisch davon Schaden nimmt.
Immer wieder kreisen seine Gedanken um diese verlorene Liebe. Er hatte auch zweimal versucht, sie wiederzugewinnen, doch es war nur ein sehr schmerzhaftes Erkennen, dass es nicht möglich war, die Beziehung neu zu gestalten.
Mit Daniel habe ich nur ein einziges Mal gearbeitet, wir haben in der Gruppe aufgestellt. Bis dahin hatte er vieles versucht. Oft halfen die Gespräche mit Freunden. Besonders die Frauen in seinem Freundeskreis konnten zuhören und hin und wieder hilfreiche Unterstützung bieten. Doch wenn er wieder allein war am Abend begann das Karussell der Gedanken von vorn. Alles drehte sich um K. Und seine Sehnsucht nach ihr.
Ich weiß nicht, was ihn dann letztendlich zur Aufstellung geführt hat. Vielleicht war es die Empfehlung einer Freundin, vielleicht aber auch die Erkenntnis, dass es nicht das erste Mal in seinem Leben war, dass er diesen tiefen schmerzhaften Liebeskummer durchleben musste. Dass sich das Thema Liebeskummer schon wie ein roter Faden durch seine vergangenen zwei Jahrzehnte zog.
Aber es war wichtig und gut, dass Daniel zur Aufstellung kam. Denn es zeigte sich in der Aufstellung eine Verstrickung in das Schicksal seines Großvaters. Sein Großvater, der Vater seines Vaters, hatte im Alter von 18 Jahren eine erste Liebe, die nicht standesgemäß war und von den Eltern seines Großvaters weggeschickt wurde, ohne dass der Großvater davon wusste. Und so wartete er vergeblich auf seine Liebste. Als er es endlich erfuhr, war es zu spät, um Abschied zu nehmen. Niemand wusste, wo seine Liebste hingegangen war.
Wir stellten Daniel, den Großvater und dessen große Liebe auf. Der Großvater griff sich ans Herz vor Schmerz und schaute weg. Auch die Liebe des Großvaters schaute weg, die Hände an ihr Herz gepresst. Und auch Daniel legte seine Hände auf sein stark schmerzendes Herz und schaute zu den beiden. Keiner konnte sich bewegen.
Langsam und vorsichtig drehte ich den Großvater und seine Liebste zueinander, sodass sie sich sehen konnten. Jetzt begannen beide zu weinen, gingen aufeinander zu und hielten sich lange in den Armen. Später kam Frieden, den alle im Raum spüren konnten. Auch Daniel konnte seine Hände vom Herzen lösen. Hier beendeten wir die Aufstellung.
In einem zweiten Schritt wählte Daniel eine Frau aus für seine jetzige schmerzhafte Liebe. Und hier zeigte sich das gleiche Bild. Die Frau schaute weg, und Daniel stand mit der Hand auf dem schmerzenden Herzen da, unfähig auf sie zuzugehen. Es war deutlich zu sehen, dass beide sich nicht sehen konnten und dass es bisher keinen Abschied gegeben hatte.
Zuerst war es wichtig, dass sich beide anschauen und in die Augen schauen konnten. Dann arbeiteten wir mit einigen rituellen Sätzen des Dankes. Langsam löste sich die Starre, und Tränen der Erleichterung und Dankbarkeit durften endlich sein. Plötzlich wurde es möglich, dass sich beide aufeinander zu bewegten und lange in den Armen hielten.
Nach einiger Zeit konnten sich beide voneinander lösen, liebevoll aufeinander schauend. Dann gingen beide zurück. Als der Abstand groß genug war konnte sich Daniel etwas wegdrehen. Wir stellten die Zukunft dazu und jetzt kam ein erleichtertes heiteres Lächeln in Daniels Gesicht. Hier beendeten wir die Aufstellung.
Ich ging noch kurz darauf ein, wie wichtig ein guter Abschied ist, der dankbar auf die gemeinsame Zeit schaut und dass wir erst weggehen können, wenn wir im Herzen mit dem Partner oder der Partnerin im Frieden sind.
Nun hat Daniel mir geschrieben:
„Du hast angefragt, was geholfen hat. Und da du in deinem Newsletter den Liebeskummer erwähnt hast, da habe ich mir gedacht, ich schreibe dir mal, wie es bei mir weitergegangen ist und was mir geholfen hat, aus dieser Kummer-Spirale raus zu kommen.
Zuerst habe ich mir ein Bild von meinem Großvater rausgesucht. Dann habe ich noch ein bisschen in der Familie rumgefragt, aber irgendwie war ich damit so im Frieden, dass ich die Familiengeschichte dann einfach in Ruhe gelassen habe. Und zu meiner eigenen Geschichte geschaut habe.
Ich hatte ja verstanden, wie wichtig ein guter Abschied ist. Und es war mir auch bewusst, dass es mir bei meinen vergangenen Liebesbeziehungen nicht gelungen war, dass es wirklich für beide einen guten Abschied gab. Also dachte ich mir, das mache ich jetzt mal nicht nur in der Aufstellung. Und so habe ich K. angerufen und um ein Treffen gebeten. Seltsamerweise war sie sofort einverstanden.
Wir verabredeten uns zu einem Spaziergang, ich wollte mit ihr nicht unter Menschen sein, falls ich, wie in der Aufstellung so nah am Wasser gebaut wäre. Ich hatte mir schon Dankessätze zurechtgelegt und sie sogar zu Hause laut ausgesprochen, um sie zu üben.
Und dann kam es ganz anders. Als wir uns begegneten haben wir uns in die Augen geschaut, und nun kamen doch die Tränen. Wir nahmen uns in den Arm, und K. war es, die sich nach einiger Zeit löste und leise sagte: „Danke Daniel. Danke. Danke für alles.“ Ich nahm sie noch einmal in den Arm und sagte: „Ja, danke. Ich danke dir so sehr. Für alles.“
Mehr Worte hat es nicht gebraucht. Wir gingen noch ein Stück am Elbufer entlang und schauten dem Fluss zu, dessen Wasser sich langsam bewegte. Beim Abschied haben wir vereinbart, dass wir uns gern nochmals treffen können, wenn es einer von uns beiden wünscht.
Und weißt du, was noch geholfen hat? Ich habe auch die Frauen davor angerufen und nochmals Kontakt aufgenommen. Um mich endlich zu verabschieden. Und ihnen zu sagen, dass ich wirklich dankbar bin. Dankbar für die Erfahrungen Und dankbar für unsere gemeinsame Zeit.
Jetzt lebe ich seit einigen Monaten in einer neuen Beziehung. Wir sind achtsam miteinander. Vielleicht bleibt mir nun ein schwerer Kummer erspart. Ich hatte ja auch genug in meinem bisherigen Leben davon.
Was ich mit euch teilen wollte: Ein guter Abschied hat mir geholfen. Und zu wissen, dass wir manchmal etwas wiederholen, ohne dass es uns bewusst ist. Und dass da eine Aufstellung hilfreich war. Danke Johannes.“
Und ich danke dir, Daniel. Danke für deine Geschichte. Und dass du sie mit uns geteilt hast.
Ich freue mich, wenn auch du mir schreibst, wenn sich in deinem Leben etwas zum Guten gewendet hat und was dir dabei geholfen hat. Vielleicht war das eine Aufstellung. Oder ein anderer therapeutischer Weg. Aber vielleicht auch ein gutes Buch, der Rat eines Freundes, ein unerwartetes Erlebnis oder eine besondere Erfahrung.
Und falls du ein Thema hast, das dich belastet, das du gern lösen möchtest, so findest du hier die nächsten Termine der Aufstellungsseminare und die Möglichkeit zur Einzelarbeit.
Ich freue mich von dir zu hören oder zu lesen und verbleibe
mit ganz herzlichen Grüßen
Johannes
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Text: Johannes Schmidt
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